Wie alles angefangen hat…
Man nennt mich Wolf vom Rabenstein.Nein, ich bin nicht von Adel. Die Hütte meiner Eltern stand in 1299 in der Nähe eines großen Steins, bei dem immer viele Raben flogen. Und weil ich als Kind wild und fast unzähmbar war, nannten meine Eltern mich Wolf.
Mein Vater sagte immer, ich sei zu allem fähig, aber zu nichts zu gebrauchen. Und damit hatte er auch meistens recht. So waren nur zwei Berufe wirklich für mich geeignet. Ich hätte Soldat werden können, aber dafür war mir Disziplin immer zu anstrengend.
Also blieb nur ein Beruf, der zwar ohne Ehre war, mir dafür aber Freude machte. So machte ich eine Ausbildung zum Henker.
Bald zog ich als Wandergeselle mit meiner Axt durch die Weiten Ostfrieslands und ging meinem Handwerk nach. Dies war zwar weder hoch angesehen noch sonderlich einträglich, aber mir reichte es zum Leben.
Irgendwann traf ich in Emden im Verlies eine junge Frau, die als Hexe verbrannt werden sollte. Ich hörte mich ein wenig um und stellte fest, dass sie einfach nur einen gelehrten Doctor der Fehldiagnose überführt hatte. Ich fand es nicht gerechtfertigt, sie dafür als Hexe zu bezichtigen. Außerdem ist Verbrennen eine solch primitive Methode der Hinrichtung. Dazu gehört nun wirklich keinerlei Geschick. Also half ich ihr bei der Flucht und fortan zogen wir gemeinsam durchs Land.Ihr Name ist Uilkje van het Panhuys und sie war aus ihrer Heimat Liuwert geflüchtet, weil sie auch dort wegen ihrer Heilkräfte als Hexe verbrannt werden sollte. Dies sollte ihr noch des Öfteren angedroht werden.
Uilkjes Familie lebte neben einer Brauerei, das Pan-huys, wo ihr Vater ein Auskommen als Seher hatte. Er konnte aus der Maische die Zukunft vorhersagen.
Ihre Mutter war Hebamme und Kräuterkundige.Uilkje erlernte das Handwerk ihrer Mutter und geriet damit prompt in Schwierigkeiten, da sie das Talent ihres Vaters, die Zukunft zu sehen, geerbt hatte.Doch was bei ihrem Vater als Gabe Gottes bezeichnet wurde, wurde bei ihr, als Frau, als teuflischer Einfluss bezeichnet.
Wir nannten einen Karren unser eigen, der von einem alten Esel gezogen wurde, dazu Uilkjes treuen Hund, ein paar Hühner und zwei Ziegen.
Wir zogen von Dorf zu Dorf und boten unsere Dienste an. Dabei ergänzten wir uns hervorragend: Wenn niemand hingerichtet werden musste, gab es immer jemanden, der mit ein paar einfachen Kräutern geheilt werden konnte.
Und genauso wie immer Leute sterben, werden auch immer Menschen geboren. So hatten wir auch zu zweit ein geregeltes, wenn auch mageres Einkommen.
Wie es weiter gelaufen ist…
In einem Beruf wie dem meinen macht man sich allerdings machmal auch Feinde. Mir erging es nicht anders. In der Nähe von Oldenburg sollte ich einem Dieb die Hand abhacken, was ich natürlich auch tat. Erst später erfuhr ich, dass man ihm den Diebstahl angehängt hatte und er eigentlich unschuldig war. Das allein wäre noch nicht so schlimm gewesen, das passiert immer wieder.
Dieses Mal war mein Kunde jedoch der Lieblingsbastard des Erzbischofs zu Bremen. Und eben jener schwor, mich von seinen Schergen jagen zu lassen, so weit sie ihre Füße trugen. Also mussten Uilkje und ich Norddeutschland verlassen.
Wir machten uns in südlicher Richtung davon und erreichten irgendwann das Rheinland. Hier bereisten wir die Dörfer und Städte in der Nähe von Coellen. Doch es dauerte nicht lange, bis wir erneut flüchten mussten.
Eine Küchenhilfe, mit der Uilkje sich angefreundet hatte, berichtete uns, dass der Erzbischof von Coellen Besuch erwartete. Und zwar seinen Amtskollegen aus Bremen. Der Oberpfaffe schien mir die Bestrafung seines Bastards wirklich übelzunehmen.
Wir verließen also die katholischen Lande und auch Deutschland. Unser Weg führte uns nach Elvia in die Niederlande. Doch auch dort fanden uns die Häscher des Erzbischofs von Bremen. Dieses Mal in der Gestalt des Erzbischofs von Utrecht. Dieser hatte Steckbriefe von uns aushängen lassen, die ich zufällig in einer Taverne sah.
Uns kam der Gedanke, an einen Ort zu flüchten, an den unsere Verfolger uns nicht folgen würden, da ihre Füße sie nicht soweit tragen konnten. Jetzt kam es uns gelegen, dass Uilkje gerade die Kinder eines Fischhändlers behandelte, der in der Nähe an der Küste wohnte.
Er war so dankbar über die Heilung seiner Kinder, dass er uns anbot, uns, versteckt zwischen Fässern mit eingelegtem Hering, nach England zu schmuggeln.
Hier ließen wir uns in der Nähe von Glastonbury bei einer Stadt namens Bridgewater nieder. Viele der Einwohner waren nicht gerade gut auf die Kirche zu sprechen, weil sie oftmals noch ihren alten heidnischen Göttern zugetan waren. Wir waren also fürs Erste sicher und bauten uns eine kleine Hütte an einem See.
Ein einheimisches Ehepaar, Druide Jon und Hohepriesterin Jane von Halifax, mit dem wir uns angefreundet hatten, vollzog unsere Trauung in einer handfasting Zeremonie. Uilkje wurde von ihnen zur Priesterin weiter ausgebildet.
Da ich hier mit meinem Beruf nicht viel Geld machen konnte, suchte ich mir einen anderen. Mein bisheriger Werdegang erlaubte mir die Teilnahme an einem Lehrgang in fortschrittlicher Folter. Dabei erwarb ich mir genügend anatomische Kenntnisse, um schließlich eine Wundarztpraxis zu eröffnen.
Nachdem wir unsere Hütte vergrößert und eingerichtet hatten, strömten auch bald die ersten Patienten zu uns. Aufgrund unserer rustikalen Behandlungsmethoden wurden wir bald unter den Namen Doktor Schmertz und Doktor Leyden bekannt.
Nach ein paar Jahren, unsere Hühner und Ziegen waren mittlerweile gestorben, erfuhren wir, dass Bremen einen neuen Erzbischof hatte. Wir beschlossen, in unsere alte Heimat zurückzukehren und tauschten bei einem italienischen Possenreisser unser Haus gegen seinen Wagen samt Pferde ein.
Unser alter Esel konnte diesen großen Wagen nicht mehr ziehen.
In dem Wagen fand Uilkje ein neu geborenes, offenbar von der Mutter verlassenes Kätzchen, das wir auch behielten.
Vom Rest unseres Geldes kauften wir eine Passage auf einem Schiff nach Nybüll.
Wir verbrachten eine Zeit in Nybüll, um uns wieder an die deutsche Sprache zu gewöhnen.
Während wir unserer Arbeit nachgingen, zog Wytze, Uilkjes alter Hund, das Kätzchen auf, das sich bald zu einem großen Kater entwickelte. Allerdings verhielt er sich oft mehr wie ein Hund als wie ein Kater.
Eines Tages schleppte der Kater ein kleines Küken an, das wir gerade noch vor dem Tod durch scharfe Zähne retten konnten. Unsere Hoffnung auf frische Eier erfüllte sich allerdings nicht, denn aus dem Küken wurde ein Hahn.
Irgendwann sprach uns dann jemand an, warum wir mit einer derartigen Menagerie nicht nach Bremen ziehen würden.
Bremen ist eine große Stadt, in der unsere Dienste sicherlich gefragt sein würden.
Also brachen wir unser Zelt in Nybüll ab und machten uns auf den Weg.
Beim Einzug in Bremen spielte ich auf meiner in Brittanien gekauften Trommel.
Stellt euch meine Überraschung vor, als der mittlerweile pensionierte Esel, Wytze der Hund, Gimli der Kater und der Hahn entschlossen, zu meiner Musik zu “singen”.
Seitdem wohnen wir hier. Dank unseres italienischen Karrens können wir auch in weiterer Entfernung von Bremen reisen.
Und Ihr, geehrter Leser, kennt jetzt auch die wahre Geschichte hinter den Bremer Stadtmusikanten.